Alarmierende Zustände: Lehrkräfte in Baden-Württemberg am Rande der Belastungsgrenze

Gerhard Brand lächelt

Gerhard Brand, Bundesvorsitzender des VBE, präsentierte die alarmierenden Umfrageergebnisse zur Arbeitsbelastung der Lehrkräfte in Baden-Württemberg. (Quelle: VBE Baden-Württemberg)

Stuttgart. Gerhard Brand, Bundesvorsitzender des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE), hat am Montag die Ergebnisse zweier Umfragen des Landesverbandes Baden-Württemberg zu Arbeitsbedingungen und Zufriedenheit von Lehrkräften vorgestellt. Die Ergebnisse machen deutlich, dass Lehrkräfte an ihren Grenzen arbeiten. Brand sagte auf der Pressekonferenz: “Ungeschönt zeigen die Umfragewerte, dass Lehrkräfte an den Schulen in der jetzigen Situation drohen, unterzugehen. Treffender hat es eine Lehrkraft zusammengefasst. Sie schrieb in unserer Umfrage: ‘Hilfe, wir sinken!’”

Die Ergebnisse im Überblick

Die Umfragen wurden in der Zeit vom 19. bis zum 23. Februar 2024 durchgeführt. Sie zielten darauf ab, ein besseres Verständnis für die Arbeitsbelastung und die Arbeitsbedingungen der Lehrkräfte zu erhalten. Insgesamt nahmen 1.733 Lehrkräfte an Grundschulen und 1.406 Lehrkräfte aus der Sekundarstufe I an der Umfrage teil. 

Die Umfrageergebnisse stellen vor allem die hohe Arbeitsbelastung der Lehrkräfte in den Mittelpunkt. Nahezu alle befragten Lehrkräfte, sowohl an Grundschulen als auch in der Sekundarstufe I, berichten von einer empfundenen hohen oder sehr hohen Arbeitsbelastung. Als Hauptmethode zur Bewältigung dieser Belastung wird von rund 80 Prozent der Lehrkräfte Mehrarbeit genannt.

Trotz dieser Belastungen geben immerhin rund 63,5 Prozent der Grundschullehrkräfte an, dass die Stimmung in ihren Kollegien eher gut ist. Allerdings liegt dieser Wert im Sekundarstufe-I-Bereich nur bei 46,8 Prozent. Die Berufszufriedenheit bleibt dennoch relativ hoch, wobei etwa 78 Prozent der Grundschullehrkräfte und 67,4 Prozent der Sekundarstufe-I-Lehrkräfte angeben, ihren Beruf gerne oder sehr gerne auszuüben.

Die Umfrage zeigt, dass gesellschaftliche Veränderungen, insbesondere die zunehmende Heterogenität der Schülerschaft und Disziplinschwierigkeiten, als Hauptbelastungsfaktoren wahrgenommen werden. Kritik gibt es auch an der Umsetzung der Inklusion in Schulen.

Insgesamt fällt die Bewertung der Bildungspolitik der Landesregierung damit negativ aus. Brand ordnete auf der Pressekonferenz ein: “Wir sehen, dass die Lehrkräfte am Limit sind – wenn keine Sicht auf eine kurzfristige Verbesserung besteht, ist es nicht verwunderlich, wenn die Bildungspolitik schlecht wegkommt. Im Grundschulbereich bekommt sie eine 4,5. Im Sekundar-I-Bereich wird es noch schärfer! Dort wird sie im Schnitt mit einer 4,7 bewertet”. 

Reaktionen

Der VBE Baden-Württemberg fordert eine wirksame Entlastung der Lehrkräfte und die Bereitstellung der nötigen räumlichen, zeitlichen und personellen Ressourcen. Zudem wird eine bessere Besoldung (A13) für Grundschullehrkräfte und die Bestandslehrkräfte an Haupt- und Werkrealschulen gefordert. Weitere Forderungen sind der flächendeckende Einsatz von multiprofessionellen Teams, eine angemessene Krankheitsreserve an allen Schulen und eine Verbesserung des Gesundheitsschutzes.

Baden-Württembergs Kultusministerin Theresa Schopper (Bündnis 90/Grüne) betonte die positive Seite der Umfrageergebnisse: “Eine wichtige Botschaft ist, dass eine überwältigende Mehrheit der Lehrerinnen und Lehrer ihren Beruf gerne ausübt”. Sie erkannte jedoch auch die Herausforderungen an, die sich aus den gesellschaftlichen Veränderungen ergeben, und versicherte, dass die Regierung daran arbeite, die Rahmenbedingungen für Lehrkräfte stetig zu verbessern. 

Die SPD forderte von der Landesregierung eine angemessene Krankheitsreserve. Katrin Steinhülb-Joos, bildungspolitische Sprecherin der SPD, warnte: “Grün-Schwarz darf die Signale aus der Lehrerschaft nicht länger überhören”. FDP-Bildungsexperte Timm Kern äußerte sich besorgt über die Umfrageergebnisse und betonte, dass viele Lehrkräfte ihren Beruf vorzeitig aufgeben könnten, wenn die Arbeitsbedingungen nicht verbessert werden. Die AfD ging sogar so weit, die Ergebnisse als “umgehenden Rücktrittsgrund” für die Kultusministerin zu bezeichnen.

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