Bundeseinheitlich statt Föderalismus: Pläne des BSW für die Bildung

Von
Marie-Theres Carl
|
18
.
February 2025
|
| sponsored
Zu sehen ist das Reichstagsgebäude und darüber die Farben der Parteien ist Kreisen. Das dunkle Rot des BSW steht in der Mitte mit einem Häkchen.

Das BSW will Bildung neu ausrichten: Ein Blick ins Wahlprogramm zeigt die zentralen Forderungen. (Quelle: Canva)

Die Bundestagswahl 2025 kommt früher als geplant – notwendig geworden durch das Auseinanderbrechen der Ampel-Koalition Ende letzten Jahres. Damit rückt auch die Bildungspolitik wieder stärker in den Mittelpunkt. Lehrkräftemangel, schleppende Digitalisierung und ungleiche Bildungschancen stellen das Bildungssystem weiterhin vor große Herausforderungen. Doch welche Lösungen schlagen die Parteien vor?

Mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht - Vernunft und Gerechtigkeit (BSW) tritt erstmals eine neue politische Kraft zur Bundestagswahl an, die sich 2023 aus ehemaligen Linken-Politiker:innen formierte. Das Bundestagswahlprogramm soll zeigen, wie sich die Partei in zentralen Politikfeldern positioniert – darunter auch die Bildungspolitik. Welche Ansätze verfolgt das BSW, um Schulen, Hochschulen und die berufliche Bildung zukunftsfähig zu gestalten? Welche Maßnahmen schlägt es vor, um drängende Probleme im Bildungssystem zu bewältigen?

In dieser Artikelserie nehmen wir die bildungspolitischen Konzepte der Parteien für die Bundestagswahl 2025 genauer unter die Lupe. Bereits erschienen sind Analysen zu den Wahlprogrammen der SPD, Union, AfD und Grünen. Zudem haben wir uns die Pläne von FDP und Die Linke angesehen – zwei Parteien, deren Einzug in den Bundestag Umfragen zufolge noch unsicher ist. 

Anmerkung der Redaktion: Die Reihenfolge der Parteien in dieser Artikelserie ist zufällig gewählt. Die Links zu den Analysen der weiteren Wahlprogramme werden sukzessive ergänzt, sobald die jeweiligen Artikel veröffentlicht sind.

Kapitel und Kernthemen des Wahlprogramms

Das Bundestagswahlprogramm des BSW wurde am 12. Januar 2025 auf dem Bundesparteitag in Bonn beschlossen. Es ist das erste Wahlprogramm der am 08. Januar 2024 offiziell gegründeten Partei und bildet die Grundlage für ihre politischen Forderungen und Positionen zur Bundestagswahl 2025. Das BSW ging aus dem Austritt mehrerer Abgeordneter aus der Linkspartei hervor, darunter die Namensgeberin Sahra Wagenknecht.

Insgesamt umfasst das Programm 45 Seiten, davon sind zu Beginn zwei Seiten der Präambel gewidmet. Hier beschreibt die Partei ihre Grundwerte und politischen Zielsetzungen, darunter die Ablehnung der aktuellen Wirtschafts- und Außenpolitik sowie die Forderung nach einer gerechteren Gesellschaft.

Im ersten Kapitel, Frieden, auf rund fünf Seiten, beschäftigt sich das BSW mit internationalen Konflikten, Deutschlands Rolle in der Außen- und Sicherheitspolitik sowie der Frage nach globalen Machtverhältnissen. Neben der aktuellen geopolitischen Lage werden auch Aspekte der europäischen Sicherheitspolitik und der Bedeutung diplomatischer Initiativen behandelt.

Das zweite Kapitel, Deindustrialisierung stoppen – Ein Comeback-Plan für unsere Wirtschaft, umfasst knapp zwölf Seiten und widmet sich wirtschaftlichen Fragestellungen. Hier geht es um die Lage der deutschen Industrie, den Mittelstand, den Arbeitsmarkt sowie die Energie- und Infrastrukturpolitik. Bildungspolitische Themen werden in diesem Kapitel in Zusammenhang mit der Fachkräftesicherung und der Ausbildung junger Menschen für den Arbeitsmarkt angesprochen.

Mit rund 15 Seiten ist das dritte Kapitel, Für eine gerechte Leistungsgesellschaft, der umfangreichste Abschnitt des Programms. Es behandelt soziale Gerechtigkeit, Steuerpolitik und Verteilungsgerechtigkeit. Besonders ausführlich geht es hier um den Bildungsbereich: Unter der Zwischenüberschrift „Beste Bildung für alle, von der Küste bis zu den Alpen!“ werden auf etwa zweieinhalb Seiten verschiedene Aspekte des deutschen Bildungssystems aufgegriffen. Dazu gehören Schulbildung, Lehrkräfteausbildung, Hochschulbildung sowie Fragen der Chancengleichheit und sozialen Durchlässigkeit.

Das vierte und letzte Kapitel, Sicherheit gewährleisten, Freiheit schützen, erstreckt sich über etwa zwölf Seiten und befasst sich mit innenpolitischen Themen. Dazu zählen öffentliche Sicherheit, Kriminalitätsbekämpfung, Datenschutz und die Regulierung von Migration.

Bildungspolitische Positionen des BSW

Schulbildung

Das BSW beobachtet im aktuellen Schulsystem eine “Bildungsmisere” und will eine umfassende Reform einleiten. Die Partei spricht sich für eine bundesweite Vereinheitlichung der Bildungsstandards aus und fordert ein bundesweites Bildungsrahmengesetz, das vergleichbare Abschlussbedingungen in allen Bundesländern sicherstellen soll. Um soziale Ungleichheiten abzubauen, setzt das BSW auf ein längeres gemeinsames Lernen und kritisiert die frühe Selektion an Grundschulen, die in vielen Bundesländern in der vierten Klasse stattfindet. Diese führe laut dem BSW dazu, dass “Elternwünsche und -erwartungen oft mehr Einfluss auf den Bildungsweg der Kinder haben als deren Talente und Begabungen.”

Die Partei betont zudem die Notwendigkeit einer stärkeren Fokussierung auf Grundkompetenzen in der Grundschule. Lesen, Schreiben und Rechnen sollen wieder stärker in den Mittelpunkt rücken, während Konzepte wie “Schreiben nach Gehör” abgeschafft werden sollen. Digitale Medien betrachtet das BSW in der Primarstufe mit Skepsis: Handys und Tablets seien mindestens bis zum Ende der Grundschule aus dem Unterricht zu “verbannen”. Auch in weiterführenden Schulen soll der Einsatz digitaler Geräte begrenzt bleiben.

Weiterhin soll die Infrastruktur an Schulen verbessert werden. Das BSW will sich für massive Investitionen in Schulgebäude einsetzen, um den bestehenden Sanierungsstau abzubauen. Gleichzeitig setzt sich die Partei für den Ausbau von Ganztagsschulen und eine bessere Hort- und Hausaufgabenbetreuung ein. Um gleiche Bildungschancen für alle zu gewährleisten, soll auch die frühkindliche Förderung gestärkt werden. Ein verpflichtender Deutschtest ab drei Jahren soll Defizite frühzeitig erkennen. Kinder mit sprachlichen Lücken sollen dann, ebenfalls verpflichtend, eine beitragsfreie Kita mit speziellen Sprachförderprogrammen besuchen.

Das BSW spricht sich zudem gegen eine zunehmende Einflussnahme politischer und wirtschaftlicher Interessen in Schulen aus. “Die Bundeswehr, Konzernlobbyismus und Kommerz haben an Schulen nichts verloren”, heißt es im Wahlprogramm. Stattdessen müsse der Schulunterricht stärker auf Demokratieförderung und friedenspädagogische Bildung ausgerichtet sein, um eine politisch neutrale und sachorientierte Lernumgebung zu gewährleisten.

Berufliche Bildung

Die Partei betont die enge Verbindung zwischen Bildung und Wirtschaft und sieht die berufliche Ausbildung als eine zentrale Säule zur Sicherung des Fachkräftebedarfs. Um den Wert der dualen Ausbildung zu stärken, fordert das BSW eine Modernisierung und bessere Ausstattung der Berufsschulen durch einen Berufsbildungspakt. Darüber hinaus setzt die Partei sich für die Aufwertung von Ausbildungsberufen ein. Besonders betont wird die Bedeutung traditioneller Meisterberufe, die nach Ansicht des BSW stärker in den Fokus rücken sollten. Berufliche und akademische Abschlüsse sollten laut Programm gleichgestellt werden, damit sich mehr junge Menschen für eine praxisorientierte Ausbildung entscheiden.

Die Digitalisierung spielt laut BSW in der beruflichen Bildung eine zunehmend größere Rolle. Während sie in der Grundschulbildung einen kritischen Blick auf digitale Medien wirft, sieht die Partei in der beruflichen Ausbildung Potenzial zur besseren Vernetzung von Lerninhalten und praktischer Arbeit. Berufsschulen sollten technologisch auf den neuesten Stand gebracht und mit digitalen Lehrformaten ausgestattet werden, um Auszubildende bestmöglich auf die Anforderungen des Arbeitsmarktes vorzubereiten. 

Zudem soll die Berufsvorbereitung bereits in der Sekundarstufe I ausgebaut werden. Das BSW fordert ein bundesweites Praktikumskonzept, das eine engere Zusammenarbeit zwischen Schulen und Betrieben vorsieht. Unternehmen sollen stärker in die Ausbildung eingebunden werden, indem Kooperationen zwischen Berufsschulen, Handwerkskammern und Wirtschaftsverbänden gefördert werden. Gleichzeitig brauche es bessere Rahmenbedingungen für Auszubildende. Um jungen Menschen während ihrer Ausbildung finanzielle Sicherheit zu bieten, spricht sich das BSW für eine Stärkung der Mindestausbildungsvergütung aus. Zudem müsse der Zugang zu bezahlbarem Wohnraum für Auszubildende erleichtert werden, etwa durch den Ausbau von Wohnheimen für Lehrlinge. 

Hochschulbildung

Auch im Bereich der Hochschulen fordert das BSW umfangreiche Reformen. Die Partei setzt sich für eine stärkere Beteiligung des Bundes an der Grundfinanzierung der Hochschulen ein, um finanzielle Engpässe und strukturelle Unterfinanzierung zu vermeiden. Ergänzend dazu fordert das BSW einen Hochschulsozialpakt, der bessere soziale Infrastruktur an Universitäten gewährleisten soll.

Ein zentrales Anliegen der Partei ist die Reform des BAföGs. Ziel sei es, Studierenden eine auskömmliche Finanzierung zu ermöglichen, wobei langfristig eine stärkere Unabhängigkeit vom Elterneinkommen angestrebt wird. Auch soll das BAföG regelmäßig an die steigenden Lebenshaltungskosten angepasst werden, um Studierenden finanzielle Sicherheit während ihres Studiums zu gewährleisten.

Das BSW betont zudem die Bedeutung der Wissenschaftsfreiheit. Hochschulen sollen nach Ansicht des BSW zu Orten “des freien Denkens und offenen Diskurses werden”, an denen Professor:innen und Forschende sich frei äußern können, ohne Disziplinarmaßnahmen befürchten zu müssen. Darüber hinaus fordert das BSW das Ende von Kettenbefristungen in der Wissenschaft und setzt sich für “Dauerstellen für Daueraufgaben an Hochschulen” ein.

Auch die Lehrkräfteausbildung soll überarbeitet werden. Das BSW fordert, dass Länder und Kommunen stärker in die Ausbildung neuer Lehrkräfte investieren. “Die Arbeitsbedingungen in allen Bildungseinrichtungen müssen dringend verbessert werden”, heißt es im Wahlprogramm. Lehrkräfte sollen gezielt durch multiprofessionelle Unterstützungsteams aus Sozialarbeiter:innen, Schulpsycholog:innen und IT-Fachkräften von fachfremden Aufgaben entlastet werden, damit sie sich stärker auf den Unterricht konzentrieren können. Die Partei spricht sich zudem für eine praxisorientiertere Lehrkräfteausbildung aus. Denkbar seien duale Ausbildungsmodelle, die zu einem Bachelor- oder Masterabschluss mit anschließendem Referendariat führen. Kurzfristig könne der Lehrkräftemangel durch attraktive Arbeitsbedingungen für Seiteneinsteiger:innen gelindert werden. 

Chancengleichheit und soziale Durchlässigkeit

Bildungschancen sollen nach Ansicht des BSW nicht länger vom sozialen Status der Eltern abhängen. Um gleiche Voraussetzungen für alle Schüler:innen zu schaffen, will die Partei das Bildungssystem durchlässiger gestalten und individuelle Talente stärker fördern. Statt sozialer Herkunft müsse die persönliche Leistung darüber entscheiden, welche Bildungswege Kindern offenstehen, heißt es sinngemäß im Programm. 

Um bundesweit vergleichbare Bildungschancen zu gewährleisten, müsse laut BSW das Kooperationsverbot im Bildungsbereich aufgehoben werden. Der Bund solle sich stärker an der Finanzierung von Schulen und Hochschulen beteiligen, um strukturelle Nachteile zwischen einzelnen Bundesländern auszugleichen. Ergänzend dazu solle ein bundesweites Bildungsrahmengesetz einheitliche Standards für Lehrpläne, Abschlussanforderungen und Rahmenbedingungen im Schulbetrieb festlegen. Ziel der Partei sei es, die “Bildungskleinstaaterei” zu überwinden und allen Schüler:innen vergleichbare Möglichkeiten zu bieten, unabhängig davon, in welchem Bundesland sie zur Schule gehen​.

Darüber hinaus sieht das BSW in einer besseren sozialen Infrastruktur einen wichtigen Schlüssel zur Bildungsgerechtigkeit. Kinder und Jugendliche sollten unabhängig von ihrem Wohnort Zugang zu gut ausgestatteten Schulen, Freizeitangeboten und unterstützenden Einrichtungen haben. Die Partei fordert deshalb verstärkte Investitionen in Sportstätten, Bibliotheken und Musikschulen, um Talente frühzeitig zu fördern und Schüler:innen die Möglichkeit zu geben, ihre Interessen zu entfalten. Zudem solle die Bereitstellung von Betreuungsangeboten – insbesondere in sozial schwächeren Gegenden – ausgebaut werden, um Bildungsgerechtigkeit über den Unterricht hinaus sicherzustellen.

Was für das BSW in der Bildung eine Rolle spielt – und was nicht

Das BSW positioniert sich in der Bildungspolitik als Partei, die stärker auf staatliche Eingriffe und bundesweite Vereinheitlichung setzen will. Es sieht den Bildungsföderalismus als Hindernis für Chancengleichheit und fordert deshalb ein Bildungsrahmengesetz, das einheitliche Standards für Lehrpläne, Abschlüsse und Schulstrukturen schaffen soll. Gleichzeitig betont das BSW die soziale Dimension der Bildung: Kostenfreie Mittagessen, der Ausbau der Ganztagsbetreuung und Investitionen in Schulen sollen ungleiche Startbedingungen ausgleichen. Bildung wird dabei stark wirtschaftlich gedacht – sie soll nicht nur Aufstieg ermöglichen, sondern auch Fachkräfte sichern und Deutschlands Wettbewerbsfähigkeit stärken.

Das BSW verfolgt eine klassische Bildungsförderung mit Fokus auf Grundkompetenzen und sozialem Aufstieg. Der Unterricht soll sich stärker auf Lesen, Schreiben und Rechnen konzentrieren, während didaktische Konzepte, die aus Sicht der Partei nicht zielführend seien, überarbeitet oder abgeschafft werden sollen. Auch die Lehrer:innenausbildung soll reformiert werden, mit mehr Praxisanteilen und klareren Strukturen. Digitale Bildung und moderne Lernmethoden spielen eine untergeordnete Rolle. Die Partei betrachtet digitale Medien im Unterricht kritisch und will vor allem in der Grundschule eine stärkere Rückkehr zu analogen Lehrmethoden. Der DigitalPakt 2.0 wird im Wahlprogramm nicht thematisiert. Auch die Finanzierung der bildungspolitischen Vorhaben bleibt unklar. Das BSW fordert, dass der Bund stärker in Bildung investiert, bleibt aber vage, wie dies langfristig finanziert werden soll.

Themen wie Inklusion, Diversität und geschlechtersensible Bildung tauchen im Wahlprogramm nicht als zentrale Anliegen auf. Während andere Parteien verstärkt auf individuelle Förderung und vielfältige Bildungswege setzen, stellt das BSW klar strukturierte und leistungsbezogene Bildungsangebote in den Mittelpunkt. Auch die politische Bildung bleibt ein Randthema – die Partei fordert zwar mehr Demokratieförderung an Schulen, warnt aber zugleich vor ideologischer Einflussnahme auch an Hochschulen. Statt einer wertebasierten Bildungsagenda setzt das BSW auf eine stärker leistungsorientierte und wirtschaftlich ausgerichtete Bildungspolitik, die Chancengleichheit vor allem durch staatliche Eingriffe und Vereinheitlichung erreichen will.

Anzeige

Mehr zum Thema

Mehr vom Autor

Neuste Artikel

Kommentare

Zurück nach oben Icon
No items found.