Christliche Privatschulen in NRW lehnen Beschäftigung homosexueller Lehrkräfte ab

Ein Mann hält seinee Hand mit einer gemalten Regenbogenflagge vor das Gesicht.

Sieben christliche Privatschulen in NRW lehnen weiterhin homosexuelle Lehrkräfte ab und stehen dafür erneut in der Kritik. (Quelle: Canva)

Detmold im Kreis Lippe. Mehrere Privatschulen des “Christlichen Schulvereins Lippe” in Nordrhein-Westfalen lehnen die Beschäftigung homosexueller Lehrkräfte ab. Der Verein beruft sich auf Glaubensgrundsätze, die Homosexualität als unvereinbar mit biblischen Werten ansehen. Obwohl die Schulen in freier Trägerschaft überwiegend aus Steuermitteln finanziert werden, sieht die Landesregierung bislang keinen Handlungsbedarf. 

Rechte der Lehrkräfte und Privatschulfreiheit in Konflikt

Die sieben August-Hermann-Francke-Schulen des Vereins in Detmold, Lemgo und Lage begründen ihre Ablehnung mit den Glaubensgrundsätzen der Evangelischen Allianz. Gegenüber der Lippischen Landeszeitung (Bezahlinhalt) erklärte Geschäftsführer Peter Dück, dass die Schulen ihre Mitarbeiter:innen an den religiösen Überzeugungen messen. Homosexualität entspreche nicht dem biblischen Verständnis von Ehe, so Dück. Die Glaubensfreiheit und die Privatschulfreiheit ließen diese Praxis rechtlich zu, erklärte das NRW-Schulministerium. Genehmigte Ersatzschulen hätten “volle Personalhoheit”, betont ein Sprecher gegenüber der Frankfurter Rundschau.

Politische Forderungen nach Konsequenzen

Die SPD-Fraktion im nordrhein-westfälischen Landtag fordert indes eine härtere Gangart. Fraktionschef Jochen Ott verlangt eine Überprüfung der staatlichen Zuschüsse, die über 85 Prozent der Finanzierung der Schulen ausmachen. Die FDP-Abgeordnete Franziska Müller-Rech stellte im vergangenen Jahr eine Kleine Anfrage, wie diese Benachteiligung von Lehrkräften mit den Grundwerten der Gleichberechtigung und Antidiskriminierung vereinbar sei. Die Landesregierung verwies damals auf die Zuständigkeit der Gerichte und sah keinen Handlungsbedarf.

Auf die Frage, ob die Regierung es als problematisch ansehe, dass “einzelne Schulen nicht nur diskriminierende Einstellungen gegenüber queeren Menschen vertreten, sondern diese auch an ihre Schülerinnen und Schüler übermitteln”, antwortete das Schulministerium damals nicht. Es erklärte lediglich, dass die Schulaufsicht “anlassbezogenen Hinweisen” nachgehen würde. Auch Ersatzschulen seien dazu verpflichtet, junge Menschen auf Grundlage des Grundgesetzes und der Landesverfassung zu erziehen.

Rechtslage: Bekenntnisschulen und ihre rechtliche Sonderstellung

Die rechtliche Lage erlaubt es konfessionellen Schulen wie denen des Christlichen Schulvereins Lippe, ihre Einstellungspolitik unter Berufung auf das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) nach religiösen Überzeugungen auszurichten. Paragraf 9 des AGG räumt konfessionellen Arbeitgebern weitreichende Sonderrechte ein, darunter die Möglichkeit, Anforderungen an die private Lebensführung ihrer Mitarbeiter:innen zu stellen. Darunter fällt auch die sexuelle Orientierung. 

Gleichzeitig sind die Schulen an die Grundsätze des AGG gebunden, was bedeutet, dass Betroffene im Falle einer nachweisbaren Diskriminierung rechtlich gegen die Praxis vorgehen können. Dies sei laut einem Sprecher des Ministeriums der Fall, wenn die sexuelle Orientierung der ausschlaggebende Grund für die Ablehnung der Einstellung sei. Der Hamburger Fachanwalt für Arbeitsrecht, Michael Fuhlrott, hält den Fall für juristisch nicht ganz eindeutig. 

Stimmen zur Haltung des Schulvereins

Die FDP-Abgeordnete Franziska Müller-Rech äußert sich kritisch zur Reaktion der Landesregierung: “Die Landesregierung macht es sich mal wieder leicht, wenn es um Diskriminierung an unseren Schulen geht.” Sie wirft der schwarz-grünen Koalition vor, die Verantwortung auf die Privatschulfreiheit abzuwälzen. Die Antwort zeige “deutlich, dass sie nicht gewillt ist, echte Konsequenzen zu ziehen, wenn queere Lehrkräfte diskriminiert werden.”

Jochen Ott, SPD-Fraktionschef in NRW, betont, dass viele konfessionell geprägte Einrichtungen auf gesellschaftlichen Druck reagiert und ihre Einstellungspraxis angepasst hätten. So würden Organisationen wie der Sozialdienst katholischer Männer (SKM) oder der Sozialdienst katholischer Frauen (SKF) inzwischen auch Menschen anderer Religionen beschäftigen. Ott fordert die Landesregierung auf, das Verhalten des Schulvereins gründlich zu prüfen und Konsequenzen zu ziehen: “Gegebenenfalls sollten die staatlichen Zuschüsse gestrichen werden.” Die offene Ablehnung homosexueller Lehrkräfte ist in seinen Augen inakzeptabel: “Dass die Schule ihre Haltung aber derart offen ausspricht, ist ein Unding”.

Peter Dück, Geschäftsführer des Christlichen Schulvereins Lippe, verteidigt die diskriminierende Praxis mit folgendem Vergleich: “Ein Veganer-Verein würde auch keinen Mitarbeiter einstellen, der Grillmeister ist und das Grillen liebt.” Er ergänzt, dass “homo­sexuelle Praxis mit dem Willen Gottes und damit dem biblischen Ethos”, also den Glaubensgrundsätzen der Schule, unvereinbar seien. 

Die Lippische Landeskirche äußert sich hingegen kritisch zu den Einstellungsverboten. Als drittkleinste evangelische Landeskirche, die bereits 2019 die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare geöffnet hat, distanziert sie sich von einer wörtlichen Auslegung der Bibel. Andreas Mattke, Landespfarrer für Kirche und Schule, sagt dazu folgendes: “Es ist nicht angemessen, einzelne Passagen unkritisch auf heutige Lebensfragen zu übertragen.” Er fügt hinzu, dass moderne Herausforderungen nicht durch “selektives Zitieren von Bibelversen” gelöst werden könnten.

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