Durch die Gewaltzunahme an Schulen steigt auch das Burnout-Risiko der Lehrkräfte. (Foto: Canva)
Gewalt an Schulen nimmt zu, darunter auch politisch motivierte Gewalt von Schüler:innen. Eine aktuelle Studie schlussfolgert: Die Gewaltpräsenz an Schulen führt zu einem höheren Burnout- und Stressrisiko der Lehrkräfte. Das von der Robert-Bosch-Stiftung im Jahr 2024 veröffentlichte Schulbarometer soll die aktuelle Lage an allgemein- und berufsbildenden Schulen erfassen. Rund 1.600 Lehrkräfte wurden zu ihren Empfindungen und Problemen im Schulalltag befragt. Dabei identifiziert die Studie das Verhalten von Schüler:innen, die psychische Belastung der befragten Lehrer:innen sowie die Berufs(un)zufriedenheit als die derzeit größten Herausforderungen in ihrem Arbeitsalltag.
Gemein sind diesen drei Aspekten eine Ursache: Probleme mit Gewalt an Schulen. Knapp die Hälfte aller Befragten (47 Prozent) gaben an, an ihrer Schule gebe es Probleme mit physischer oder psychischer Gewalt unter Schüler:innen. Dass Lehrkräfte selbst immer häufiger Opfer von Gewalt werden, ergab bereits eine Umfrage des Philologenverbands Nordrhein-Westfalen aus dem letzten Jahr (LehrerNews berichtete). Im Schulbarometer 2024 wurden die Erfahrungen von gewalttätigen Angriffen auf die Lehrpersonen nicht erfasst.
Auch Gewalt unter Schüler:innen hat eine starke Auswirkung auf das Wohlbefinden der Lehrkräfte. Etwa ein Drittel (36 Prozent) der Lehrkräfte fühlt sich mehrmals in der Woche emotional erschöpft, 12 Prozent täglich. Rund ein Viertel (27 Prozent) des Lehrpersonals würde bei Möglichkeit den Beruf wechseln. Das Schulbarometer nennt “Probleme mit Gewalt unter Schüler:innen” als eine direkte Ursache für die Verschlechterung von Berufs- und Schulzufriedenheit sowie zunehmender (emotionaler) Erschöpfung der Lehrkräfte. Am meisten betroffen von Gewaltpräsenz im Arbeitsalltag sind laut der Umfrage Lehrkräfte an Schulen in sozial benachteiligter Lage. Dort sind rund zwei Drittel der Befragten (69 Prozent) damit konfrontiert.
Während knapp jede:r dritte Gymnasiallehrer:in von Gewalterfahrungen berichtet, sind es laut der Umfrage überdurchschnittlich viele Lehrer:innen an Förderschulen (67 Prozent) und an Haupt-, Real- und Gesamtschulen (62 Prozent). Außerdem fällt auf, dass besonders in Nordrhein-Westfalen Gewalt an Schulen beobachtet wird (52 Prozent).
Die erfassten Gewalttaten an den Schulen in Nordrhein-Westfalen steigen bereits seit mehreren Jahren an. Laut einem Bericht des NRW-Innenministeriums an den Innenausschuss des Landtages habe es 2022 mehr als 5400 Fälle von Gewalt gegeben. Das waren 55 Prozent mehr als noch 2019. Für das Jahr 2023 geht das Ministerium von einer Steigerung um zehn Prozent aus.
Achim Fischer, Schulleiter der Janusz-Korczak-Gesamtschule in Neuss, vermutet im WDR-Interview dazu, die steigende Gewalt an Schulen sei in Ballungsräumen zwar präsenter als in ländlichen Gebieten, grundsätzlich sehe er die Gewaltzunahme allerdings als ein gesellschaftliches Phänomen und „nicht auf Regionen beschränkt.“
Dazu passen die Zahlen der Polizeilichen Kriminalstatistik 2023, aus der bundesweit ein Anstieg der Gewaltdelikte um 8,6 Prozent zum Vorjahr hervorgeht. Zu den Tatverdächtigen zählen 12 Prozent mehr Kinder und 9,5 Prozent mehr Jugendliche als noch im Vorjahr. Laut Kriminalstatistik fällt der Anstieg der Tatverdächtigen im Vergleich zu anderen Altersgruppen hier prägnanter aus. Als möglicher Grund für die erhöhte Straffälligkeit von Kindern und Jugendlichen wird eine erhöhte psychische Belastung durch die Folgen der Corona Maßnahmen gesehen.
Zunehmend steigen auch die erfassten politisch rechtsmotivierten Gewalttaten in Schulen. Medienberichten zufolge gab es in Sachsen 2019 nach Angaben des Bildungsministeriums 73 gemeldete rechtsextremistische oder rassistische Vorfälle. 2023 hatte sich die Zahl bereits auf 149 gemeldete Vorfälle mehr als verdoppelt. Ähnlich verhält es sich in den Bundesländern Hessen, Mecklenburg-Vorpommern oder Brandenburg.
“Antidemokratische Tendenzen sind kein neues Phänomen, sie sind nur sichtbarer und sagbarer geworden”, erzählt Udo Dannemann, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Bildung der Universität Potsdam dem rbb. Die derzeitigen Krisen, besonders die Corona Pandemie, sieht er als Nährboden für diese Entwicklung. Dabei scheint die Sensibilität für rechte Gewalt unter den Lehrkräften sehr unterschiedlich zu sein. “Es stellte sich heraus, dass der demokratische Werterahmen gar nicht eindeutig klar war bei allen Lehrkräften – die Vorstellung, was antidemokratisch ist und wann man handeln muss, ist sehr unterschiedlich”, so Dannemann. Abhilfe hierbei soll eine höhere Sensibilisierung der Lehrkräfte in dem Bereich Rechtsextremismus schaffen und durch externe Fortbildungsangebote wie Workshops erreicht werden.
Um der Gewalt an Schulen auch außerhalb politisch motivierter Taten präventiv entgegenzuwirken, hat das Ministerium für Schule und Bildung den Notfallordner zur schulischen Gewaltprävention zuletzt 2023 erweitert. Schul- und Bildungsministerin Feller ist davon überzeugt: “Mit der Veröffentlichung des neuen Krisenpräventionsteils gehen wir neue Wege.“ Besonders durch mehr Fachleute im Bereich der schulischen Krisenprävention, beispielsweise Schulsozialarbeiter:innen oder -psycholog:innen, soll mehr Präventionsarbeit gegen Gewalt geleistet werden und so Lehrkräfte und Schüler:innen geschützt werden. Das Präventionshandbuch ist online hier abrufbar.